DDR-Geschichte

    Buch: Der Fall Otto

    Erzähltes & Ungesagtes meiner Großeltern W. und O. Nagel

    Rezension Tatjana Böhme-Mehner: Warten auf den Vater

    Magdeburg, 02.05.19. Erinnerungen an Ibrahim Böhme

    Die Autorin Tatjana Böhme-Mehner öffnet mit ihrem Buch „Warten auf den Vater. Erinnerungen an Ibrahim Böhme“ ein Kapitel vielleicht längst vergessener deutsch-deutscher Geschichte.


    Geboren 1976 in der DDR-Provinz, in einem Land, „das es 13 Jahre später nicht mehr geben sollte.“, wie Tatjana Böhme-Mehner schreibt. Es ist aber auch das Jahr der Biermann-Ausbürgerung und ein Jahr später verlässt der systemkritische Schriftsteller Reiner Kunze die DDR. All das prägt die Kindheit der Autorin und mittendrin ist ihr Vater Manfred, später Ibrahim, Böhme. Auch einer, der zu den Anhängern Biermanns und Kunzes gehört, so glauben viele in der Stadt Greiz. Die Autorin versucht sich auf sensible Art und Weise ihrem Vater zu nähern. Aber es ist immer wieder das Warten auf den Vater oder das „Etwas-herbei-Warten“, wie Tatjana Böhme-Mehner resümiert, dass sich wie ein roter Faden durch ihre Kindheit zieht. Ihr Vater ist mal da, mal nicht. Aber umso intensiver erlebt die Tochter die Momente, als ihr Vater sie von der Schule abholt oder wegen Krankheit länger zu Hause bleibt als sonst.


    Als die Mauer 1989 fällt, steht ihr Vater als Ibrahim Böhme plötzlich im politischen Mittelpunkt der Geschehnisse in der untergehenden DDR. Für die Autorin, damals erst 13 Jahre alt, eine völlig neue Situation. Als ihr Vater als Stasi Spitzel enttarnt wird, sind die Geschehnisse etwas, was sich nicht einfach so verarbeiten lässt. Die Tochter versucht sich in den 1990er Jahren ihrem Vater, der zurückgezogen lebt, wieder zu nähern. „Ein kleines Ende war seither jede unserer Begegnungen gewesen. Im freien Fall von der Lichtgestalt zum enttarnten Spitzel – ich war beiden gegenüber skeptisch.“ schreibt die Autorin in ihrem Buch dazu. Als Ibrahim Böhme Ende 1999 stirbt, hinterlässt er bei seiner Tochter so viele offene Fragen. Wer war dieser Mensch, fragt sie sich „Manfred oder Ibrahim? Dissident oder gemeiner Stasi-Spitzel? Weltflüchter oder Realist? Arbeiter oder Intellektueller? Tragischer Held oder Clown? Ich bin mir nicht sicher.“


    Das Buch, erschienen im EUROPA Verlag, reflektiert den Alltag in der DDR. Es zeigt Lebenswege auf, in denen schnell persönliche Grenzen überschritten werden konnten. Immer war das Streben nach Selbstverwirklichung eine Gratwanderung, für die, die den Weg gingen, aber auch für ihr persönliches Umfeld.

    Rezension Tatjana Böhme-Mehner: Warten auf den Vater

    Rezension Tatjana Böhme-Mehner: Warten auf den Vater

    Magdeburg, 02.05.19. Erinnerungen an Ibrahim Böhme

    Die Autorin Tatjana Böhme-Mehner öffnet mit ihrem Buch „Warten auf den Vater. Erinnerungen an Ibrahim Böhme“ ein Kapitel vielleicht längst vergessener deutsch-deutscher Geschichte.


    Geboren 1976 in der DDR-Provinz, in einem Land, „das es 13 Jahre später nicht mehr geben sollte.“, wie Tatjana Böhme-Mehner schreibt. Es ist aber auch das Jahr der Biermann-Ausbürgerung und ein Jahr später verlässt der systemkritische Schriftsteller Reiner Kunze die DDR. All das prägt die Kindheit der Autorin und mittendrin ist ihr Vater Manfred, später Ibrahim, Böhme. Auch einer, der zu den Anhängern Biermanns und Kunzes gehört, so glauben viele in der Stadt Greiz. Die Autorin versucht sich auf sensible Art und Weise ihrem Vater zu nähern. Aber es ist immer wieder das Warten auf den Vater oder das „Etwas-herbei-Warten“, wie Tatjana Böhme-Mehner resümiert, dass sich wie ein roter Faden durch ihre Kindheit zieht. Ihr Vater ist mal da, mal nicht. Aber umso intensiver erlebt die Tochter die Momente, als ihr Vater sie von der Schule abholt oder wegen Krankheit länger zu Hause bleibt als sonst.


    Als die Mauer 1989 fällt, steht ihr Vater als Ibrahim Böhme plötzlich im politischen Mittelpunkt der Geschehnisse in der untergehenden DDR. Für die Autorin, damals erst 13 Jahre alt, eine völlig neue Situation. Als ihr Vater als Stasi Spitzel enttarnt wird, sind die Geschehnisse etwas, was sich nicht einfach so verarbeiten lässt. Die Tochter versucht sich in den 1990er Jahren ihrem Vater, der zurückgezogen lebt, wieder zu nähern. „Ein kleines Ende war seither jede unserer Begegnungen gewesen. Im freien Fall von der Lichtgestalt zum enttarnten Spitzel – ich war beiden gegenüber skeptisch.“ schreibt die Autorin in ihrem Buch dazu. Als Ibrahim Böhme Ende 1999 stirbt, hinterlässt er bei seiner Tochter so viele offene Fragen. Wer war dieser Mensch, fragt sie sich „Manfred oder Ibrahim? Dissident oder gemeiner Stasi-Spitzel? Weltflüchter oder Realist? Arbeiter oder Intellektueller? Tragischer Held oder Clown? Ich bin mir nicht sicher.“


    Das Buch, erschienen im EUROPA Verlag, reflektiert den Alltag in der DDR. Es zeigt Lebenswege auf, in denen schnell persönliche Grenzen überschritten werden konnten. Immer war das Streben nach Selbstverwirklichung eine Gratwanderung, für die, die den Weg gingen, aber auch für ihr persönliches Umfeld.